Prof.em.Dr. Rainer Wohlfeil, Hamburg
Kriegs- und Friedensallegorien
Auch Allegorien können historische Dokumente sein, als Quellen zu analysieren, historisch zu erklären und zu deuten mittels geschichtswissenschaftlicher Fragestellungen1. Unter den zahlreichen Fragen, die historisch an Bilder gerichtet werden können, spüre ich zwei ausgewählten nach: Erstens, frage ich, vermittelten zeitgenössische Allegorien im weitgefaßten Sinne des Begriffs zeitgenössische Deutungsmuster des Dreißigjährigen Krieges – etwa Aussagen zu den Ursachen oder über Urheber, und wie erklärten sie ihn? Die andere Frage lautet: Zu welchem Zeitpunkt thematisierten Bilder die Sehnsucht nach Frieden und in welcher Weise reflektierten sie den Weg zum Frieden? Im Referat muß ich mich auf eine sehr knappe Beschreibung der Bildinhalte und den Versuch ihrer Einordnung in den historischen Kontext beschränken, die Produktions- und Distributionsbedingungen bleiben ebenso wie Fragen nach der Rezeption durch die Zeitgenossen oder gar durch spätere Bildbetrachter unberücksichtigt. Das ist bedauerlich im Wissen darum, daß Bilder als Teil eines gesellschaftlichen Prozesses nicht nur Realität reflektieren, sondern auch den geschichtlichen Prozeß zu beeinflussen vermögen: Sie können Bewußtsein schaffen und ausdrücken. [ … ]
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Bibliografische Information – svz 87
Rainer Wohlfeil: Kriegs- und Friedensallegorien, in:
Der Krieg vor den Toren. Hamburg im Dreißigjährigen Krieg 1618-1648,
hg. von Martin Knauer und Sven Tode (= Beiträge zur Geschichte Hamburgs,
hg. vom Verein für Hamburgische Geschichte, Bd. 60), Hamburg 2000, S. 349 – 386
[ … ] Allegorien im Zusammenhang mit Dreißigjährigem Krieg und Frieden waren zuvor selten Forschungsgegenstand2. Dieses Desiderat ist im Werk ‚1648 Krieg und Frieden in Europa‘3 teilweise aufgearbeitet worden4. Nicht vorgestellt werden Historienbilder mit fast ‚fotografischer Genauigkeit‘, wie das berühmte Gemälde von Gerard ter Borch von 1648 über die Beschwörung des Spanisch-Niederländischen Friedens5, und Grafiken, die in diesem Kontext entstanden6, oder die der Bildberichterstattung über den Verlauf der Friedensverhandlungen dienten7. Ebenso wenig greife ich andere Fragestellungen auf, wie beispielsweise die nach den Leiden der Bevölkerung8 bis hin zu den Verhandlungen in Münster und Osnabrück mitsamt den Friedensschlüssen – selbst wenn das Geschehen in allegorischer Weise verbildlicht worden ist9.
Das Kriegsgeschehen – um auf es zumindest knapp einzugehen – spiegelte sich vornehmlich in militärisch-technologischen Sachbildern10 wider, besonders in der Darstellung von Schlachten und Belagerungen. Einen Eindruck von der Fülle dieser militär- und kriegsgeschichtlichen Bilder vermittelt jeder flüchtige Blick in Editionen und Ausstellungskataloge über zeitgenössische Grafik11 und Gemälde12. Mit Erstaunen sieht der heutige Betrachter, daß nicht nur bedeutende Schlachten bildlich vermittelt, sondern ebenso kleine, heute nur dem Spezialisten bekannte Gefechte als bildwürdig angesehen wurden. Dieser Sachverhalt läßt sich damit erklären, daß derartige Grafiken offenkundig kommerziell einträglich waren – vor allem über die Illustrierten Flugblätter.
Auch in Gemälden wurden kriegerische Ereignisse dargestellt. Hierhin gehört als das bedeutendste das 1635 von Velázquez‘ gemalte Meisterwerk ‚Die Übergabe von Breda‘13. Auf dieses Historienbild gehe ich ebenso wenig ein wie auf einen Stich von 1625 als ein Beispiel für jene 15 Blätter zur Belagerung und Übergabe dieser Stadt 1624/1625, die allein Paas ediert hat14. Die Befragung kriegsgeschichtlicher Bilder hinsichtlich ihres historischen Dokumentenwertes würde aufzeigen, daß ihre Bearbeitung nicht weniger aufwendig Geschichtskenntnisse erfordert wie die Auflösung allegorischer Bildgehalte15.
Allegorische Gemälde werden im ersten Teil meiner Ausführungen stehen (I). Anschließend befasse ich mich mit ausgewählten allegorischen Grafiken, vor allem den Illustrierten Flugblätter16 (II-IV). Es sind Bilder, die von den Zeitgenossen am ehesten zur Kenntnis genommen werden konnten. Auch auf Medaillen und auf skulpturalen Werken17 finden sich Allegorien zu Krieg und Frieden. Sie müssen hier unberücksichtigt bleiben. Zum Abschluß versuche ich, die eingangs gestellten Fragen zu beantworten (V).
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