Die Katholischen Könige und die Franco-Diktatur
Die Katholischen Könige, als Sinnpotential gespiegelt in der Ideologie der Franco-Diktatur

billete de 1000 pesetas, España, 1957: Reyes CatólicosProf.em.Dr.Rainer Wohlfeil, Hamburg:

Die Katholischen Könige und die Franco-Diktatur. 

Die Katholischen Könige, als Sinnpotential gespiegelt
in der Ideologie der Franco-Diktatur.

 

Anläßlich der 500. Wiederkehr der Entdeckung Amerikas gedachte Spanien auch in Sondermünzen dieses Ereignisses. Vier Serien (1989-1992) mit jeweils fünf Gold- und sieben Silbermünzen1 ori­entierten sich an den Nominalen des Währungssystems, das von den Katholischen Königen, Isabella I. (1451-1504) und Ferdi­nand V. von Kastilien (1452-1516; als König von Aragón Ferdinand II.), 1497 grundlegend reformiert worden war2. In der ersten Serie zeigt die höchstwertige Nominale, eine Gold­mün­ze zu 80.000 Pesetas, geprägt nach dem Vorbild der ‚Onza‘, der Münze zu 8 Escudos, auf der einen Seite Juan Carlos I. und Sophia – das ge­genwärtige Königspaar. Die Ehepartner blicken sich gegenseitig an3. Die andere Seite enthält ein Dop­pelpor­trät der Ka­tholischen Könige in ähnlicher Position, entnommen dem Bild auf ihrer Goldmünze ‚Excelente de oro’4.

Das Doppelporträt des heutigen Königspaares ist eine Hommage an die geachteten Per­sönlichkeiten, zugleich aber eine sinnentleerte Übernahme einer früh­neu­zeit­lichen Herrschaftsbekundung. Unter konstitutioneller Fra­gestellung eignet dem Bild von 1989 keine Aussage, staats- und verfas­sungs­recht­lich relevant ist nur der Kö­nig. Isabella I. und Ferdi­nand V. sind im Kontext des Jubilä­ums von 1992 vornehmlich historisch eingebracht, während ihre Bildnisse und Embleme im Zeichen der Diktatur des ‚Caudillo‘, des Generals Francisco Franco y Bahamonde (1892-1975), als Sinnpotential ideologisch und politisch genutzt wurden.  [ … ]

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bibliografischer Hinweis – svz 82
Rainer Wohlfeil: Die Katholischen Könige und die Franco-Diktatur, in:
Zeitenspiegelung. Zur Bedeutung von Traditionen in Kunst und Kunstwissenschaft.
Festschrift für Konrad Hoffmann zum 60. Geburtstag am 8. Oktober 1998,
hg. von Peter K. Klein und Regina Prange, Bonn 1998, S. 61 – 72

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Zur Erklärung die­ser These werden einleitend einschlägige Grund­züge der Herrschaft der Katho­lischen Köni­ge aufgezeigt (I). Sie fand politisch und ver­fassungsrechtlich ihren ver­bildlichten Ausdruck in einer Staatssymbo­lik, die unter Franco reaktiviert wurde, indem sich das Regime ihrer Sinnzeichen als Zitate be­dien­te. Die Ana­lyse und Deutung der Embleme auf Münzbild und Wap­pen der Ka­tholi­schen Könige (II) sind eine Vorausset­zung, um die Frage zu beantworten, welcher Sinn ihrer Verwendung auf Banknoten und Münzen des Franco-Staates eignete5. Diese zeigten seit 1937 Herrschaftszeichen und Bil­der jenes Königspaa­res. Sie werden im dritten Teil vor­gestellt (III) und abschlie­ßend hinsichtlich ihrer ideo­logischen Aussage und politischen Rele­vanz im Kontext der Diktatur interpre­tiert (IV).

I

Isabella von Kastilien heiratete 1469 gegen den Willen ihres Halbbruders, König Heinrich IV. (1425-1474), ihren Vetter Ferdinand von Aragón. Nach dem Tod des Königs seit 1474 Kö­nigin, erkämpfte sich Isabella die Herrschaft in einem Reich, das im 15. Jahrhundert sehr starke Wirren durch­lebt hatte. Ferdinand trat die Re­gierung über die Krone Ara­gon 1479 an. In Kastilien bestand der anomale Fall, daß zwei Könige mit je­weils fortlaufenden Herrscher­zah­len gemeinsam ein Reich regierten6. Schon aus diesem Sachverhalt erhellt, daß ihr gemeinsames Königtum höchsten sehr bedingt aus einer mittelalterlich-visionären Idee von einer Ein­heit Spa­niens folgerte oder gar Ergebnis einer zielbewußten Einigungspolitik war, son­dern sich aus den beson­deren Bedingungen ergab, unter denen beide Thronanwärter gelebt hat­ten. Dem entsprach, daß Ferdinand nach dem Tode der Königin geneigt war, einem Sohn aus seiner zweiten Ehe mit Germaine de Foix (1488-1538) die Krone Aragón zu übertragen. Das Königspaar hat je­doch durch seine gemeinschaftli­che Re­gierung, vor allem die gemeinsamen politischen und militärischen Un­ternehmun­gen, Grundlagen für die abso­lu­tistisch geprägte Herrschaft der Krone Kastilien, für eine bereits sei­tens euro­päischer Staaten als ’spanisch‘ ver­standene Groß­machtstellung unter den ersten habsburgischen Monarchen und für die wesent­lich spätere Ver­einigung der staatsrechtlich unter seiner Herr­schaft noch ge­trennten Kronen Kastilien und Aragon zur Krone Spanien ge­legt. Dennoch haben die Katholischen Könige trotz entschiedener Stärkung der monarchischen Autorität und stetig stei­gender Bedeutung als europäischer Machtfaktor zu keiner Zeit einen nationalen Einheitsstaat zu ver­wirkli­chen angestrebt, beachte­ten verfassungsrechtlich vielmehr streng die ‚fueros y co­stumbres‘ der in ihrer Bi-Personal- bzw. Ma­trimonialunion zusam­mengeschlossenen Kronen, er­kannten den ‚Re­gionalismus‘ der Länder uneingeschränkt an. Ein Zeugnis dessen waren auch die unterschiedlichen Mün­zen: Neben der Krone Kastilien gaben u. a. Aragón, die Balearen, Katalonien, Valencia und später Navarra landeseigene Prägungen aus7.

Grundlegend für die gemeinsame Regierung waren der Heiratsvertrag von 1469 und vor allem ein in Segovia 1475 getroffenes Abkommen. In ihm wurden die Regierungsrechte Isabellas als „legítima heredera y sucesora del Reino de Castilla“ und Ferdinands als „legítimo marido de la reina“ festgelegt. Aber – er­folg­reich war ihre Politik vor allem infolge des guten Einvernehmens der Ehegatten, die sicherlich aufgetretene un­terschied­liche Meinungen nach außen hin nicht bekannt werden ließen. Es ist dem Hi­sto­riker fast unmög­lich, im einzelnen Fall zu verorten, auf wel­chen der beiden Herrscher ein Beschluß zurückging. Die Kronen Kastilien und Aragón waren über die persönliche Bindung ihrer Herrscher verknüpft – eine Bindung in Gleichberechtigung, die sich in ihren Ti­teln ebenso wie in der De­vi­se „Tanto monta, monta tanto – Isabel como Fernando“, in Herr­schaftszeichen und in Emblemen ausdrückte. „Es ist einerlei“, wie sich ihr Wahlspruch sinngemäß übersetzen läßt, war vielseitig ver­wendbar, be­zog sich auf das „mandar, guerrar, regir, e senorear a uno con ella“ ebenso wie auf die Deutung ei­nes Sinn­zei­chen des Königs. Ausdrucksformen ihres Bekenntnisses zur gemeinsamen Herr­schaft finden sich bei komplexem herrschaftlichen Zeichensystems u. a. im Staatswappen und auf Mün­zen8.

 

II

Der ‚Excelente de oro‘ weist als Münzbild die einander zugewandten ge­krönten Bü­sten des Königspaares auf. Sie werden am Rand von der Inschrift ‚FERNANDVS ET ELISABET D(EI) G(RATIA) REX ET REGINA CAS(TILLA)‘ umrahmt9. Die Gegenseite der höherwertigen Nominalen zeigt den nimbierten Adler des Johan­nes, der einen überkrönten gevierteilten Schild mit den Wappen von Kastilien-León, Aragón-Sizi­lien und Gra­nada hinterfängt10. Dieses Staatswap­pen umschließt die Inschrift ‚SVB VMBRA ALARVM TVARUM PRO­TEGE NOS‘11. Auf niederen Nomi­nalen findet sich nur die Wappen von Kastilien und León, umfangen von der In­schrift ‚QVOS DEVS CONIVNXIT HOMO NON SEPARET‘12. – In den Silbermünzen schlug sich seit 1497 die spezifische Herr­schaftssymbolik des Königspaares ebenfalls nie­der. Die Prágmatica schrieb u .a. die Darstellung eines Jochs mit Seil und ein Pfeilbündel vor13.

Alle benannten Zeichen vereint das Staatswappen14. In seiner bekanntesten Ausführung hinterfängt bei der ur­sprünglichen Form der nimbierte Adler des Apostels Johannes als Schildhalter den Wappenschild, der nach oben mit einer of­fenen Krone abgeschlossen ist. Das Wappen ist auf kastilische Art gevierteilt. In den einan­der gegenüberlie­genden Feldern 1 und 4 sind die Zeichen für Kastilien (Kastell) und León (gekrönter Löwe) eingebracht, in den Feldern 2 und 3 für Aragón (vier Pfähle, eigentlich Wappen der Grafschaft Barcelona) und Aragón-Sizili­en (Schräggeviert von Aragón und staufischer Adler). Neu der Krone einverleibte Königreiche wurden mit ih­ren Wappen später hinzugefügt, nach 1492 Granada (Granatapfel) am unteren Rand in einem ge­schwungenen Dreieck, Neapel und Navarra nach ihren Inkorporationen in das quergeteilte Feld 2: linksseitig Aragón querge­spalten mit Na­varra (Kettennetz), rechtsseitig in der Länge gespalten Jerusalem (Krücken- kreuz) mit Ungarn (Turnierkragen). Der untere Teil des Wappens enthält zwei Devisen – das Pfeilbün­del und das Joch mit einem Seil, dazu das Motto ‚TANTO MONTA‘15.

Der Adler des Johannes mit Heiligenschein war das Emblem Isabellas. Nach ihrer Ehe­schlie­ßung trat ein Bün­del aus Pfeilen hinzu, deren Spitzen nach unten gerichtet sind, das Bündel umschlungen von einem Seil16. Es symbolisierte die Verei­nigung der Kräfte, weil eine derartige Bün­de­lung als Ganzes nicht zu zerbrechen ist. Außerdem entsprach der Anfangsbuchstabe des Wortes ‚flechas‘ (Pfeile) dem erstem Buch­staben des Namens ihres Gatten. Joch17 und Seil, das als durch­schlagener gordischer Knoten interpretiert wurde, symboli­sierten – vor allem letzteres – den Leitsatz, daß der politischen Aktion der Vorrang gebühre; dabei sei es einerlei – zu deuten hier über die Devise ‚tanto monta‘ – ob der Knoten aufgeknüpft oder durch­schlagen werde. Außerdem spielte der An­fangsbuchstaben des Wortes ‚yugo‘ (Joch) auf den ersten Buchstaben des Namens ‚Ysabel‘ an. Der zentrale Wappenschild wurde in seinen Grundzügen zum Ursprung des gegen­wärtigen spanischen Staats­wappens. Festzuhalten bleibt, daß auf Münzen und Staatswappen über Doppelbild­nis und Embleme das be­schriebene bi-per­sonale Herrschaftsystem des Königspaares versinnbildlicht war, nicht aber ein Einheits- und nationaler Machtsstaat symbolisiert wurde.

III

Parallel zu Einführung der Pe­seta als nationaler Währung wurde das spanische Geldsystem in Anleh­nung an die Lateinische Münzunion von 1865 end­gültig auf das Dezimalsystem ausgerichtet. Auf dieser Grundlage be­saß Spanien bis zum Be­ginn des Bürger­krieges von 1936 ein­heitli­che Banknoten und Münzen. Diese Einheit wurde spätestens zerstört, als die Regierung der Auf­stän­dischen zu Bur­gos unter dem Datum 13. November 1936 mit der Emission ei­ner sog. nationalen Peseta als der Währung des ‚wahren‘ Spani­ens begann. Es wur­den vor allem Banknoten ausgegeben18, von denen hier die niedrigen Nominale be­rücksichtigt werden: Sie waren unter der gesamten Bevölkerung in stetem Umlauf und daher als ‚Ideologieträger‘ besonders geeignet. Niedrigster Wert war die Banknote zu ei­ner Peseta, in zehn Emissionen bis 1953 verausgabt19.

Gemäß Dekret vom 1. Okto­ber 1936 wurden als Symbole „las flechas y el yugo, símbolo de la unidad espanola a suprema galardón“ in das Staatswap­pen aufgenommen und sollten auf den neuen Münzen erscheinen20. Die erste Banknote zu einer Peseta – Emission am 12. Oktober 1937, ver­sehen mit der zusätzlichen Zeitangabe ‚II ANO TRIUN­FAL‘ – enthielt jedoch nur einen ovalen Wappenschild mit einer geschlossenen Krone, umrahmt von Kette und Widderfell des Ordens vom Golde­nen Vlies: das Wappen des im Exil befindli­chen Königshau­ses21. Das Dekret wurde erst bei den näch­sten zwei Emissio­nen vom 28. Februar und 30. April 1938 ver­wirk­licht, eben­falls unter dem Motto ‚II ANO TRIUNFAL‘22. Beide Banknoten zeigen das neue Staatswap­pen, hinterfangen von dem nimbier­ten Ad­ler des Apostel Johannes als Schildhalter und eingerahmt von den Säulen des Herak­les mit der Devi­se ‚PLVS VLTRA‘23, zwei Sinnzeichen, die Karl V. (1500-1558) in sein Staats­wappen einge­fügt hatte. Der Wappenschild enthält die Wappen von Kastilien, León, Aragón, Navarra und Granada. Oberhalb der Adler­schwingen flattert ein Spruchband mit dem Wahl­spruch ‚VNA GRANDE LIBRE‘24. Zu beiden Seiten seiner Schwanzfedern sind Joch und Seil sowie ein Bündel von fünf nach unten gerich­teten Pfei­len, umschlungen von einem Seil, einge­bracht. Dieses Staats­wappen wurde bei der vierten Aus­gabe vom 1. Juni 1940 auf die Rück­seite verlegt25, auf der Vorderseite beginnen Bilder die Banknoten zu schmücken. Die sechste Emission vom 21. Mai 1943 bildete linksseitig Kö­nig Ferdi­nand in Dreiviertel­profil ab26. Die Randleiste enthält in zweifacher Ausführung alle Wappenbilder des Staatswap­pens sowie Joch und Pfeil­bün­del. Ihrem Gatten folgt auf der Vor­derseite der siebten Emissi­on vom 15. Juni 1945 Königin Isa­bella27. Die weiteren Banknoten können übergangen werden28. Isabella wurde außerdem auf der fünften Emission der Banknoten zu fünf Pese­tas (13. Fe­bruar 1943) ab­gebildet29 und war auch auf deren sech­ster Emission (15. Juli 1945) zu se­hen30. Beide Ausgaben enthalten zudem die bekannten Wappen einschließlich Joch und Pfeilbündel. Ihre letzte Ab­bildung fanden die Ka­tholischen Könige gemeinsam auf der achten Emis­sion einer Banknote zu 1000 Pese­tas vom 29. November 1957, deren Rückseite ihr Staatswappen und ihre Embleme aufweist31. Das Staatswap­pen des Franco-Regimes mit Joch und Bündel und / oder ein Sonnen­sym­bol waren auf den Vorderseiten ande­rer Banknoten zumindest schemenhaft dem Schriftbild unterlegt32.

Daß Banknoten niederer Nominale mit ver­schie­de­nen Bildern ausgegeben wurden, ist ur­säch­lich in erster Linie damit erklären, daß Geldscheine, die in ständigen Umlauf wa­ren, sehr schnell un­ansehnlich und un­brauchbar wurden. Der Sachverhalt wurde genutzt, Banknoten bildlich in den Dienst der Propaganda gestellt. Vom Be­ginn des Bürgerkriegs an lag den Bank­no­ten beider Seiten ein ideologisches Programm zugrunde – für die Republik die Aussage, den spa­nischen Staat und seine Geschichte demokratisch legitim zu re­präsentie­ren33. Seitens des Franco-Re­gimes dienten die Bank­noten der Aufgabe, den Staat unter Rück­griff auf Perso­nen und Ereignisse einer als spezifisch national begriffenen Geschichte zu legitimieren.

Daß Franco ein anderes Spanien an­strebte als das der unmittelbaren Vergangenheit, offenbarte auch die erste Münze34. Geprägt 1937 in Wien als Wert zu 25 Céntimos, zeigt die mittseits gelochte Münze auf der Bildseite den Landesnamen ‚ESPANA‘ und die Devise ‚VNA GRANDE LIBRE‘ auf einem Kranz von Strahlen, die von der Lochung gleich einer Sonne ausgehen, das Joch und fünf gebündelte Pfeile zu­sammen­gefaßt in einem Emblem, das Datum des Aus­gabejah­rs mit dem Zusatz ‚II ANO TRIVNFAL‘. Die Pfeile zeigen nach oben35.

Eine Münze zu einer Peseta wurde erstmals 1944 geprägt36. Der Münz­wert ist von ei­nem ara­besken Kranz aus den bekannten Wappen und dem zusammenge­fügtem Joch und Bündel von fünf aufwärts ge­richteten Pfeilen umschlossen, das Wappen des Regimes auf der Gegenseite zu sehen.. Daß dieses Münzbild mit seiner klaren ideologi­schen Aussage nur einmal ver­wendet wurde, dürfte in der staatsrechtlichen Verlautbarung vom 1. April 1947 be­gründet sein, die Spanien zur Monarchie mit dem Caudillo als Staatschef auf Lebens­zeit erklärte.

Unter dem formellen Ausgabe­jahr 1946 erschien auf den Münzen eine Kopfbüste des Staats­chefs37. Mit fünf Emissionen zu einer Peseta wurde jenes schlichte Bildprogramm eröffnet, das im Dienst der Restau­ra­tion einer Monar­chie un­ter der Führung von Franco stand. Zum er­sten Male erscheint als Um­rahmung der Kopfbüste die Umschrift FRANCISCO FRANCO CAUDILLO DE ESPAÑA POR LA G.(RACIA) DE DIOS. Die Formulie­rung ‚POR LA GRACIA DE DIOS‘ war ein eindeutiges Bekenntnis zur Ableitung der Herrschaftsge­walt aus göttlichem Recht unter Ab­leh­nung der Lehre von Volkssouveränität und Gesellschafts­vertrag. Zu­gleich läßt sie sich als Bekenntnis zum mon­archi­schen Prinzip interpretieren.

Alle Münzen offen­barten zweifelsfrei, daß sie nicht nur Zah­lungsmittel waren, sondern selbst in der Form von Schei­de­münzen zu 5 und 10 Céntimos der Selbstdarstellung und Legiti­mation des Franco-Regimes dienten. Ausgegeben am 11. Februar 1941 zeigen sie auf der Bildseite u.a. einen Lanzen­reiter und die Inschrift ‚ESPAÑA‘38. Der Lanzenreiter entspricht in modifiziertes Form jenem ‚iberischen Lanzenrei­ter‘, der auf Mün­zen während der römischen Herrschaft das offenbar auf As und Denar am weitesten verbreitete Münzbild war. Hier wurde zugleich voll das Wappen der Katho­lischen Könige ein­schließlich ihrer Embleme Joch und Pfeil­bündel reaktiviert, ergänzt durch die Säu­len des Herakles und die Devise ‚PLUS ULTRA‘ sowie die zwischen Krone und Adler auf einer ge­schwungenen Banderole einge­brachte Devise ‚UNA GRANDE LIBRE‘39.

Abweichend von den Münzen mit Francos Por­trät war nur die von 1949 bis 1965 verausgabte Münze zu 50 Céntimos40. Die mittseits durchlochten Prägungen zei­gen auf der Bildseite u.a. die Inschrift ‚ESPANA‘ und als Sym­bole Anker, Tau sowie Steu­errad – Sinnbil­der für Spa­nien als Seefahrernation. Die andere Seite enthält neben der Wertan­gabe das Staatswappen mit Joch und Pfeilbündel, wobei auf der ersten Ausgabe die Pfeile analog zur Gestaltung des Pfeilbündels unter den Katholischen Königen nach unten gerichtet sind.

Im Laufe weiterer Emissionen sind Porträt und Staatswappen leicht abgewandelt worden41; ab 1957 wurden die Säulen des Herakles vor einem schräg hinein­gesetzten Adler des Hl. Johannes eingebracht42. Alle Münzen ab dem Wert zu 25 Pesetas enthielten auf dem Münzenrand statt der Strichkändelung bei den niederen No­mina­len den Leit­spruch * UNA ** GRANDE ** LIBRE*. Er verschwand erst mit der Kursmünzenausgabe von 1982 unter Juan Carlos I. Einzige Silberprägung war von 1966 bis 1970 eine 100-Pesetas-Münze43, deren Bildseite in Franco-Por­trät und Titelei den gleichzeitigen Kursmünzen entspricht, die abweichende Wertseite aber ein gekröntes fünf­feldiges Wappen und am Außenrand Joch und Pfeilbündel enthält.

Mit dem Regierungsantritt König Juan Carlos I. im Jahre 1975 begann sich der Wandel des Staatswesens auch auf neuen Münzen auszudrücken. Die Kursmünzen zeigten bildseitig das Porträt des neuen Staats­ober­hauptes, der wegweisende Wandel vollzog sich im Verständnis und Sinne der politischen ‚transición‘ auf der Wertseite. Seit 1975 trägt die Bildseite der Kursmünzen das Porträt, das Ausgabejahr und die Titelumschrift ‚JUAN CAR­LOS I REY DE ESPANA‘. Die Münze zu fünf Pesetas deutete auf der Rück­seite den Wandel an: Das gekrönte spanische Staatswappen ent­hielt im Mittelschild das bourbonische Emblem der Lilien, umrahmt von der Or­denskette des Gol­de­nen Vlieses und unterlegt mit ei­nem Adreaskreuz, jedoch blieben bis 1989 noch Joch und Pfeilbündel erhalten44. Nach und nach verschwanden der Adler des Johannes, die Devise ‚UNA GRANDE LIBRE‘ sowie zuletzt das Joch und das Pfeilbündel aus dem Münz­bild45. Eine neue Kurs­mün­zenserie seit 1982 zeigte den vorsich­tig, mit politischer Klugheit vollzogenen Wandel46. In abgemessenen Schritten befreite sich Spanien vom Erbe Francos.

IV

Nach Francos Verständnis legitimierte sich sein autoritär-hierarchisches Regime aus dem Sieg im Krieg der ‚beiden‘ Spanien – interpretiert als ein Kreuzzug gegen die Kräfte des ‚Anti-Spanien‘, wurde der An­spruch erhoben, Spanien in unmittelbarer Anknüp­fung an seine ruhmvolle Vergangenheit aus Dekadenz und vor dem Ver­sinken im Strudel des Internationa­lismus errettet zu haben und zu nationaler Ein­heit und Größe zurückzu­führen. Dieses ’neue Spanien‘ leitete sein reaktionäres Sinngefüge aus militäri­schen Vorstellungen, aus kon­servativer Tradition, aus katholi­schem Konfessionalismus und teilweise auch aus der ‚Weltanschauung‘ der Falange her. Ihre Ideologie47 ziel­te auf die Wie­derherstellung der ehemaligen Größe Spaniens ab und war einem Nationalismus im Verständnis einer ’schicksalhaften Einheit Spaniens‘ verhaftet, der Regionalismus und erst recht Separatismus als ‚unver­zeihliches Verbrechen‘ strikt verwarf; diese Ideologie berief sich auf die katholische Konfession als die dem Spanier ureigene Religion und verfocht – wenn auch unklare – imperialisti­sche Vorstellungen. Nicht zu­letzt bekundete die Falange ein uneingeschränktes Be­kenntnis zu militärischen Werten. Historisch sahen vor allem Ramiro Ledesma Ramos (1905-1936) und sein Umfeld in den Katholi­schen Königen ein Vorbild verkör­pert, deren ruhmreiche Herrschaft sie als Beispiel der Größe Spanien ständig beschworen, etwa in der Formu­lierung „Unter Isabella und Ferdinand waren wir die erste Nation der Welt, in der Staat und nationales Wollen zu einer unauflösbaren, dauernden Wesenseinheit verschmolzen.“ Die Be­zeichnung ‚Katholische Könige‘ wurde als politischer Begriff instrumentalisiert, der ihre Herrschaft als eine Zeit eines „sentido nacional y mili­tar“ er­scheinen ließ. Verkör­pert sahen sie den Be­griffsgehalt in den Sinnzei­chen Joch und Pfeilbündel – dem ’símbolo de unidad espanola‘ . Diese Embleme wurden erstmals, wohl ange­regt durch Juan Aparicio López (*1906) dem Titel der Zeitung ‚La Conquista del Estado‘ bei­ge­fügt48, danach zu Emblemen der Falange er­ho­ben. Für die Mitglieder der ‚Bewegung‘ waren sie einerseits Sinnbilder für die von ihnen geforderte Diszi­plin und Angriffs­bereitschaft49. Im Zeichen falangi­stischer Zukunftsbewältigung sollten sie andererseits durch die Beschäfti­gung mit der Vergan­genheit Sinn stif­ten, dienen als kraftgeladene Zeichen. Sie standen für einen übersinnli­chen Begriff – für das ewige Spanien. Diese Idee fand einen weiteren Ausdruck in dem Leitspruch ‚Espana una, grande y libre‘ (Ein Spanien, groß und frei), den die JONS – Juntas de Ofensiva Nacional-Sindi­calista – bei ihrer Ver­einigung mit der Falange einbrachten.

Als die Falange nach Ausbruch des Bürgerkrieges 1937 von Franco in eine einheitliche Staatspartei überführt wurde, die sich von zahl­reichen falangistischen Vorstellungen trennte, übernahm das Regime ihre Embleme und ihren Leitspruch. Daß eine solche Identifikation nicht von Anfang an gegeben war, offenbart die erste Banknote50. Dem neuen sinnstiftenden Deutungs- und Ordnungspotential war nicht mehr ein Bezug zur Re­stauration der vergangenen Monarchie, sondern ein Bekenntnis zur sogenannten ruhm­reichsten Vergangenheit Spa­niens zu entnehmen. Auf der Grundlage einer Beschäftigung mit den Katholi­schen Königen wurde über manipulierte Tradition ein Ge­schichtsbild freige­setzt und beschworen, dessen Lei­stungsfähigkeit darin gesehen wurde, daß Franco gleich den Katholischen Königen unwandelbaren traditionalen Werten und Normen ver­pflichtet erschien und ver­antwort­lich war einzig vor der Ge­schichte und vor Gott – allgegenwärtig sichtbar in der Formulie­rung ‚POR LA GRACIA DE DIOS‘.

Wenn Ladero Quesada 1992 festgestellt hat, daß das Zeitalter der Katholischen Könige für die spanische Ge­schichtswissenschaft stetig von besonderem Interesse war, „aber auch zu anachronistischen und nationalisti­schen Interpretationen Anlaß gegeben“ habe51, so gilt diese Aussage nicht zuletzt für die Zeit des Franco-Re­gimes. Das leitende Erkenntnisinteresse wurde nicht selten vom politischen Legiti­mationsbe­dürfnis der Dikta­tur beeinflußt. Nach seinem historischem Selbstverständnis vollendete der Diktator je­ne Po­litik, die unter den Katholischen Königen zwangsläufig und unvermeidlich zum spanischen National­staat ge­führt habe – zu jener Einheit und Einigkeit, die besonders die im Bürgerkrieg bekämpfte Repu­blik sträflich preisgege­ben hätte. Es war jedoch anachronistisch, von einem Einheitsstaat um 1500 zu spre­chen, in dem sich der am stärksten zen­tralisierte Staat, den die Spanier jemals über sich ergehen lassen muß­ten, hätte gespiegelt sehen können. Dieser historische Sachverhalt schließt nicht aus, daß sich das Regime durch die Ka­tho­lischen Könige rechtfertigte, wenn es eine ständestaatlich organisierte Gesell­schaft oder jenen „extremen religiösen und geistigen Kon­for­mismus“ zu restaurieren anstrebte, für den Isabella und Ferdinand mit der Zer­störung der Reste eines aus dem Mittelalter überkommenen, in Grenzen toleranten Zu­sammenlebens ethnisch und religiös verschiedener Men­schen historische Verantwortung zugesprochen wer­den muß52. Das Regime le­gitimierte sich für den Diktator in erster Linie durch seinen militärischen Sieg über die gesellschaftlichen Kräf­te, die als ‚Anti-Spanien‘ denun­ziert wurden. Ihn beschwor er kontinuierlich. Dar­über hinaus aber sollten auch die nationalistischen und ideo­logischen Werte und Normen des Francismus, ge­faßt in dem leicht abgewandel­ten falangistischen Leitspruch ‚UNA – GRANDE – LIBRE‘ historisch legitimiert erscheinen. Aber nicht nur dieses Motto wurde jedem Spa­nier im Staatswappen und vor allem auf Münzen tag­täglich präsentiert, sondern auch die Embleme der Katho­lischen Könige. Der Berufung auf sie eignete die Funktion, die Vorstel­lung zu vermitteln, einzu­prägen und zu festigen, daß Isabella I. und Ferdinand V. in Franco und seinem System ih­ren kon­genia­len Nach­folger ge­fun­den hatten, daß der Staatschef deren hehre Ziele stetig verfolge. Indem sich das Franco-Re­gimes hinsicht­lich seiner politischen und gesellschaftlichen Funktion auf die Epoche um 1500 be­zog, um dadurch die Dikta­tur auch historisch zu rechtfertigen, verfälschten Ideologen und willfähige Histori­ker nicht nur das Geschichts­bild, sondern strebten an, ihre Sicht einer vergangenen historischen Wirklichkeit als Bau­stein für eine gegen die Geschichte gerichtete manipulierte Traditionsbildung zu instrumentalisieren – ein Versuch, der den Wider­spruch der Ge­schichtswissen­schaft herausfordert53. Nicht hi­storisch gegründet, son­dern ideolo­gisch vermit­telt sah sich das Franco-Regime funktionell im Staat der Katholischen Könige gespie­gelt.

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